Kieler Woche 2008
Die Idee des Kieler Woche-Büros, eine Frankfurter Reihenhaussiedlungs-Landratte einzuladen, zeugt von hoher Risikobereitschaft. Die Erfahrungen mit Rümpfen, die durchs Wasser gleiten, beschränkte sich bis zu den tiefgreifenden Erfahrungen in Kiel, auf die gemeinsamen Paddelboot-Touren mit meinem Vater und dem blaugrauen Stoff/Gummi/Holz-Klepperboot – mit kleiner Dreiecksfahne am Bug, versteht sich. In Badehosen gekleidet, auf deren modische Dimension ich nicht weiter eingehen kann und will, durchquerten wir die heimischen Gewässer nahe des Frankfurter Industriehofes und arbeiteten uns dabei nicht selten durch meterhohe Schaumberge, an den vielen Wehren der Nidda. Wenn es im Sommer zu warm wurde, stiegen die noch verbliebenen Rotaugen auf, als hätte man eine Fritteuse in den Fluß angeworfen. Dass mich der Wassersport traumatisiert hätte, wäre ein wenig übertrieben, aber zumindest träumte ich in den darauf folgenden Jahren nicht vom Segeln, vom Meer und einer ruhigen Brise, sondern eher davon, schnittig wie Stefano Casiraghi ein Powerboot mit riesigem Unterwasserauspuff und Big Block Motorsound entlang des Mains zu steuern und das Wasser schnell hinter mir zu lassen. Segeln am Main? Die Idee war absurd, allenfalls Frau Mamá, mit dem 1200 Watt AEG Fön am Ufer, hätte da was im Takelwerk einer Graupner Miniaturjolle bewegen können.
Und dann diese Einladung zum Kieler Woche Design Wettbewerb – dem Plakatwettbewerb der Wettbewerbe, mit einer Gewinnerliste, die so ziemlich alles zu bieten hat, was im Design-Schrein jemals was zu leuchten hatte – Celestino Piatti, Anton Stankowski, Hans Hillmann, Bruno K. Wiese, Rudi Baur, Rosmarie Tissi, Wim Crouwel, Fons Hickmann, Klaus Hesse usw. Geschweige denn jene, die mitgemacht hatten und nicht ausgewählt wurden, bilden eine Phalanx aus Entwürfen, die man nach eingehendem Studium besser nicht angeschaut hätte, denn jeder Entwurf, der sich im jungfräulichen Kieler Woche-Gestaltungswahn schon mal formuliert hatte, wird während des Briefinggespräches im Kieler Rathaus atomisiert.
Apropos Briefing – selten wird der Gestalter, der ja in den letzten Jahren zum positionslichtlosen Dienstleistungszampano degeneriert ist und zwischen den Sturzseen aus Bedürfnissen der Kunden giert wie ein schiffsloser, betrunkener Kapitän, so gut behandelt, geradezu hofiert, wie es im Rahmen des Kieler Woche Wettbewerbes passiert. Im besten Hotel der Stadt residierend, von Riesenscholle zu Riesenscholle in Limousinen chauffiert und im Rahmen eines Segeltörns mit rudimentären Schifffahrtskenntnissen versehen, fühlt man sich plötzlich so als wäre es doch der richtige Beruf gewesen, den man ergriffen hat. Und da man die Kieler Woche im Rahmen des Briefings in vollen Zügen genießen kann, begreift man auch schnell, dass es neben der von Carbonmasten und Kevlar-Leichtbaurümpfen gekennzeichneten kompetitiven Regatta auch eine ganz andere, eher hedonistische Komponente der Kieler Woche gibt. Da wabern nämlich von Alkohol und Klaus & Klaus Stimmungskanonenklängen befeuert, Meschenmassen entlang einer Kiellinie, die größtenteils einer Rollschuhbahn auf leergetrunken Bierflaschen gleicht. Dort, in dem pulsierenden Strom aus Kieler Woche Besuchern, war ein Punkt erreicht, an dem die Assoziationskette beim Zizka zündete: „Ich werde nicht versuchen, die Ideen meiner Vorgänger zu toppen, das klappt ohnehin nicht – sondern ich will die Ströme des Alkohols, der Menschen, des Wassers, des Windes und des Basswoofers neben meinem Ohr visualisieren.“
Ich machte ein paar Skizzen und verlor dann an der Kiellinie die Ideallinie. Wochen später im heimischen Atelier zwischen Euphorie und Selbstmitleid hin und hergeworfen, war der Durchbruch geschafft. Dank meines Mitstreiters Joel, der mit seinen virtuosen Programmierfähigkeiten die Pfeile im Koordinatensystem zu bewegen wusste und mit seinen portugiesischen Wurzeln der Top-Seefahrernation entsprungen, dem Niddapaddler den nötigen Spirit einhauchte, war das passende Kieler Woche Motiv geboren. Fast wie eine Strömungskarte, aber auch irgendwie ein Schlingern im Malstrom des Kieler Woche Volksfestes. Am Ende bin ich sicher segelaffiner geworden und weiß die ästhetische Qualität der Windjammer in der Förde zu schätzen. Was meine Vorliebe für Motorboote auf dem Main anbelangt, ist jetzt mehr Luft drin - ein Zodiac mit 200 PS Außenborder wäre doch was?
Kieler Woche 2008
The idea of the Kieler Woche-Office to invite a Frankfurt terraced housing estate landlubber is evidence of a high willingness to take risks. The experience with hulls gliding through the water was limited until the profound experiences in Kiel, to the joint paddle boat tours with my father and the blue-grey cloth/rubber/wood tractor boat - with a small triangular flag at the bow, of course. Dressed in swimming trunks, whose fashionable dimensions I cannot and do not want to go into any further, we crossed the local waters near the Frankfurt Industriehof, often working our way through metre-high mountains of foam, along the many weirs of the Nidda. When it got too warm in summer, the remaining roaches rose up as if a deep fryer had been thrown into the river. That water sports would have traumatized me would be a little exaggerated, but at least in the years that followed I didn't dream of sailing, of the sea and a calm breeze, but rather of steering a powerboat with a huge underwater exhaust and big block motor sound along the Main, racy like Stefano Casiraghi, and leaving the water behind me quickly. Sailing on the Main? The idea was absurd, at best Mrs. Mamá, with the 1200 watt AEG hair dryer on shore, could have moved something in the rigging of a Graupner miniature dinghy.
And then this invitation to the Kieler Woche Design Competition - the poster competition of the competitions, with a list of winners that has pretty much everything to offer that has ever shone in a design shrine - Celestino Piatti, Anton Stankowski, Hans Hillmann, Bruno K. Wiese, Rudi Baur, Rosmarie Tissi, Wim Crouwel, Fons Hickmann, Klaus Hesse, etc. Not to mention those who had participated and were not selected, form a phalanx of designs that one would have been better off not to look at after thorough study, because every design that had already been formulated in the virgin Kiel Week design mania is atomized during the briefing discussion in the Kiel City Hall.
Apropos briefing - rarely is the designer, who in recent years has degenerated into a service puppet without positional lighting and who greets the customer's needs between the lakes like a shipless, drunken captain, treated so well, almost courted, as it happens in the Kieler Woche competition. Residing in the best hotel of the city, chauffeured from giant floe to giant floe in limousines and provided with rudimentary navigation skills during a sailing trip, one suddenly feels as if it was the right profession to have taken up after all. And since you can enjoy Kiel Week to the fullest in the briefing, you quickly realise that, in addition to the competitive regatta characterised by carbon masts and Kevlar lightweight hulls, there is also a completely different, rather hedonistic component to Kiel Week. There are masses of people wafting along a keel line that resembles a roller-skating rink on empty beer bottles, fired by alcohol and Klaus & Klaus mood canon sounds. There, in the pulsating stream of Kieler Woche visitors, a point was reached where the chain of associations ignited at the Zizka: "I won't try to top the ideas of my predecessors, that won't work anyway - but I want to visualize the streams of alcohol, people, water, wind and the bass woofer next to my ear.
I made a few sketches and then lost the ideal line at the keel line. Weeks later in my home studio, tossed back and forth between euphoria and self-pity, the breakthrough was made. Thanks to my comrade-in-arms Joel, who with his virtuoso programming skills knew how to move the arrows in the coordinate system and with his Portuguese roots came from the top seafaring nation, which gave the Niddapaddler the necessary spirit, the suitable Kieler Woche motif was born. Almost like a current map, but also somehow a lurch in the maelstrom of the Kieler Woche folk festival. In the end, I'm sure I've become more sailing-oriented and appreciate the aesthetic quality of the windjammers in the fjord. As far as my preference for motorboats on the Main is concerned, there is now more air in it - a Zodiac with 200 hp outboard motor would be something, wouldn't it?
Kieler Woche 2008
Die Idee des Kieler Woche-Büros, eine Frankfurter Reihenhaussiedlungs-Landratte einzuladen, zeugt von hoher Risikobereitschaft. Die Erfahrungen mit Rümpfen, die durchs Wasser gleiten, beschränkte sich bis zu den tiefgreifenden Erfahrungen in Kiel, auf die gemeinsamen Paddelboot-Touren mit meinem Vater und dem blaugrauen Stoff/Gummi/Holz-Klepperboot – mit kleiner Dreiecksfahne am Bug, versteht sich. In Badehosen gekleidet, auf deren modische Dimension ich nicht weiter eingehen kann und will, durchquerten wir die heimischen Gewässer nahe des Frankfurter Industriehofes und arbeiteten uns dabei nicht selten durch meterhohe Schaumberge, an den vielen Wehren der Nidda. Wenn es im Sommer zu warm wurde, stiegen die noch verbliebenen Rotaugen auf, als hätte man eine Fritteuse in den Fluß angeworfen. Dass mich der Wassersport traumatisiert hätte, wäre ein wenig übertrieben, aber zumindest träumte ich in den darauf folgenden Jahren nicht vom Segeln, vom Meer und einer ruhigen Brise, sondern eher davon, schnittig wie Stefano Casiraghi ein Powerboot mit riesigem Unterwasserauspuff und Big Block Motorsound entlang des Mains zu steuern und das Wasser schnell hinter mir zu lassen. Segeln am Main? Die Idee war absurd, allenfalls Frau Mamá, mit dem 1200 Watt AEG Fön am Ufer, hätte da was im Takelwerk einer Graupner Miniaturjolle bewegen können.
Und dann diese Einladung zum Kieler Woche Design Wettbewerb – dem Plakatwettbewerb der Wettbewerbe, mit einer Gewinnerliste, die so ziemlich alles zu bieten hat, was im Design-Schrein jemals was zu leuchten hatte – Celestino Piatti, Anton Stankowski, Hans Hillmann, Bruno K. Wiese, Rudi Baur, Rosmarie Tissi, Wim Crouwel, Fons Hickmann, Klaus Hesse usw. Geschweige denn jene, die mitgemacht hatten und nicht ausgewählt wurden, bilden eine Phalanx aus Entwürfen, die man nach eingehendem Studium besser nicht angeschaut hätte, denn jeder Entwurf, der sich im jungfräulichen Kieler Woche-Gestaltungswahn schon mal formuliert hatte, wird während des Briefinggespräches im Kieler Rathaus atomisiert.
Apropos Briefing – selten wird der Gestalter, der ja in den letzten Jahren zum positionslichtlosen Dienstleistungszampano degeneriert ist und zwischen den Sturzseen aus Bedürfnissen der Kunden giert wie ein schiffsloser, betrunkener Kapitän, so gut behandelt, geradezu hofiert, wie es im Rahmen des Kieler Woche Wettbewerbes passiert. Im besten Hotel der Stadt residierend, von Riesenscholle zu Riesenscholle in Limousinen chauffiert und im Rahmen eines Segeltörns mit rudimentären Schifffahrtskenntnissen versehen, fühlt man sich plötzlich so als wäre es doch der richtige Beruf gewesen, den man ergriffen hat. Und da man die Kieler Woche im Rahmen des Briefings in vollen Zügen genießen kann, begreift man auch schnell, dass es neben der von Carbonmasten und Kevlar-Leichtbaurümpfen gekennzeichneten kompetitiven Regatta auch eine ganz andere, eher hedonistische Komponente der Kieler Woche gibt. Da wabern nämlich von Alkohol und Klaus & Klaus Stimmungskanonenklängen befeuert, Meschenmassen entlang einer Kiellinie, die größtenteils einer Rollschuhbahn auf leergetrunken Bierflaschen gleicht. Dort, in dem pulsierenden Strom aus Kieler Woche Besuchern, war ein Punkt erreicht, an dem die Assoziationskette beim Zizka zündete: „Ich werde nicht versuchen, die Ideen meiner Vorgänger zu toppen, das klappt ohnehin nicht – sondern ich will die Ströme des Alkohols, der Menschen, des Wassers, des Windes und des Basswoofers neben meinem Ohr visualisieren.“
Ich machte ein paar Skizzen und verlor dann an der Kiellinie die Ideallinie. Wochen später im heimischen Atelier zwischen Euphorie und Selbstmitleid hin und hergeworfen, war der Durchbruch geschafft. Dank meines Mitstreiters Joel, der mit seinen virtuosen Programmierfähigkeiten die Pfeile im Koordinatensystem zu bewegen wusste und mit seinen portugiesischen Wurzeln der Top-Seefahrernation entsprungen, dem Niddapaddler den nötigen Spirit einhauchte, war das passende Kieler Woche Motiv geboren. Fast wie eine Strömungskarte, aber auch irgendwie ein Schlingern im Malstrom des Kieler Woche Volksfestes. Am Ende bin ich sicher segelaffiner geworden und weiß die ästhetische Qualität der Windjammer in der Förde zu schätzen. Was meine Vorliebe für Motorboote auf dem Main anbelangt, ist jetzt mehr Luft drin - ein Zodiac mit 200 PS Außenborder wäre doch was?
The idea of the Kieler Woche-Office to invite a Frankfurt terraced housing estate landlubber is evidence of a high willingness to take risks. The experience with hulls gliding through the water was limited until the profound experiences in Kiel, to the joint paddle boat tours with my father and the blue-grey cloth/rubber/wood tractor boat - with a small triangular flag at the bow, of course. Dressed in swimming trunks, whose fashionable dimensions I cannot and do not want to go into any further, we crossed the local waters near the Frankfurt Industriehof, often working our way through metre-high mountains of foam, along the many weirs of the Nidda. When it got too warm in summer, the remaining roaches rose up as if a deep fryer had been thrown into the river. That water sports would have traumatized me would be a little exaggerated, but at least in the years that followed I didn't dream of sailing, of the sea and a calm breeze, but rather of steering a powerboat with a huge underwater exhaust and big block motor sound along the Main, racy like Stefano Casiraghi, and leaving the water behind me quickly. Sailing on the Main? The idea was absurd, at best Mrs. Mamá, with the 1200 watt AEG hair dryer on shore, could have moved something in the rigging of a Graupner miniature dinghy.
And then this invitation to the Kieler Woche Design Competition - the poster competition of the competitions, with a list of winners that has pretty much everything to offer that has ever shone in a design shrine - Celestino Piatti, Anton Stankowski, Hans Hillmann, Bruno K. Wiese, Rudi Baur, Rosmarie Tissi, Wim Crouwel, Fons Hickmann, Klaus Hesse, etc. Not to mention those who had participated and were not selected, form a phalanx of designs that one would have been better off not to look at after thorough study, because every design that had already been formulated in the virgin Kiel Week design mania is atomized during the briefing discussion in the Kiel City Hall.
Apropos briefing - rarely is the designer, who in recent years has degenerated into a service puppet without positional lighting and who greets the customer's needs between the lakes like a shipless, drunken captain, treated so well, almost courted, as it happens in the Kieler Woche competition. Residing in the best hotel of the city, chauffeured from giant floe to giant floe in limousines and provided with rudimentary navigation skills during a sailing trip, one suddenly feels as if it was the right profession to have taken up after all. And since you can enjoy Kiel Week to the fullest in the briefing, you quickly realise that, in addition to the competitive regatta characterised by carbon masts and Kevlar lightweight hulls, there is also a completely different, rather hedonistic component to Kiel Week. There are masses of people wafting along a keel line that resembles a roller-skating rink on empty beer bottles, fired by alcohol and Klaus & Klaus mood canon sounds. There, in the pulsating stream of Kieler Woche visitors, a point was reached where the chain of associations ignited at the Zizka: "I won't try to top the ideas of my predecessors, that won't work anyway - but I want to visualize the streams of alcohol, people, water, wind and the bass woofer next to my ear.
I made a few sketches and then lost the ideal line at the keel line. Weeks later in my home studio, tossed back and forth between euphoria and self-pity, the breakthrough was made. Thanks to my comrade-in-arms Joel, who with his virtuoso programming skills knew how to move the arrows in the coordinate system and with his Portuguese roots came from the top seafaring nation, which gave the Niddapaddler the necessary spirit, the suitable Kieler Woche motif was born. Almost like a current map, but also somehow a lurch in the maelstrom of the Kieler Woche folk festival. In the end, I'm sure I've become more sailing-oriented and appreciate the aesthetic quality of the windjammers in the fjord. As far as my preference for motorboats on the Main is concerned, there is now more air in it - a Zodiac with 200 hp outboard motor would be something, wouldn't it?